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Folgt ein Konflikt unter Arbeitskollegen oder mit Vorgesetzten anderen Gesetzmäßigkeiten als ein privater Streit unter Freunden oder Paaren?

Wenn Sie sich die Gesetzmäßigkeiten und Variablen ansehen, die einem Konflikt innewohnen, dann gibt es keinen Unterschied. Der Start eines Konflikts ist immer ein Störgefühl. Die Ursache kann z.B. sein, dass ihr Partner oder Ihr Kollege oder Ihr Chef sich Ihnen gegenüber und aus Ihrer Sicht im Ton vergriffen hat. Komplizierter wird es, wenn dieses Störgefühl bei Ihnen entsteht und Sie fragen sich selbst, woher es kommt, weil Sie auf den ersten Blick keinen direkten Auslöser identifizieren können. Das kann z.B. passieren, wenn Ihr Chef in Ihrer Gegenwart einen Kollegen für etwas lobt, was für Sie eine Selbstverständlichkeit ist.

 

Damit haben wir als erste Konflikt-Komponente und auch Indikator für die Entstehung, Befriedung oder auch Verstärkung eines Konflikts die Befindlichkeit, das Gefühl identifiziert.

 

Wenn nun Ihr Chef den Kollegen für etwas lobt, was für Sie selbstverständlich ist, dann haben Sie und Ihr Chef offensichtlich ein unterschiedliches Wertesystem, daraus resultierend eine unterschiedliche Bewertung der beobachteten Situation und damit auch ein unterschiedliches Gefühl beim Erleben der Situation.

 

Jetzt haben wir zwei weitere Indikatoren identifiziert - die Beobachtung und die Bewertung. 

Die Bewertung kommt dabei gerne im Duett mit der Generalisierung und Verallgemeinerung und dann entstehen in privaten Partnerschaften

z. B. Sätze wie

 

  • „nie hörst Du mir zu“
  • „immer muss ich alles zweimal sagen“

 

Im Business ist das nicht anders. Wenn Sie etwas verändern möchten und erhalten die Antwort „Das haben wir schon immer so gemacht - das wollen wir nicht ändern“, werden Sie sich nicht gut fühlen. Dieses Beispiel bringt uns auf die Spur zum letzten Indikator. Was kann der Beweggrund für so eine Antwort sein, wie sie eben formuliert wurde. „Angst vor Veränderung“ könnten Sie denken.

 

Wenn wir das jetzt drehen, könnte die Ursache dieser Antwort vielleicht auch ein ausgeprägtes Bedürfnis Ihres Gegenübers nach Sicherheit sein? „Umgekehrt“ - also positiv - zu denken und zu formulieren, ist eine Frage der inneren Haltung und gleichzeitig auch eine Frage der Übung. Was macht den Konflikt am Arbeitsplatz dennoch anders? Üblicherweise gibt es im privaten Bereich keine hierarchischen Unterschiede.

 

Die größte Herausforderung im Business ist, trotz hierarchischer Unterschiede im Konfliktfall den anderen zu verstehen und verstanden zu werden. Das schafft die notwendige Augenhöhe und muss aus unserer Sicht die Zielsetzung von konstruktiver konfliktlösender Kommunikation sein.

 

 

1) Welche anderen Arten von Konflikten gibt es?

 

 

Das ist ein sehr breites Feld, denn man kann Konflikte nach verschiedenen Kategorien einordnen. Im Falle der Ukraine geht es um einen Territorialkonflikt, bei Streiks auf den ersten Blick um einen Tarifkonflikt und in der Konsequenz um einen Verteilungskonflikt. Man kann Konflikte auch dahingehend untersuchen ob sie heiß oder kalt sind oder ob es um Werte oder Bedürfnisse geht.  

 

Grob gesehen unterteilen wir, die Autoren, die Konflikte in 3 Arten. Dabei haben wir die handelnden Personen in Unternehmen und die Organisation selbst im Blick und konzentrieren uns in unseren Trainings auf interpersonelle und organisatorische Konflikte. Wenn Sie zwei Alternativen zur Auswahl haben und sich nicht entscheiden können, dann geht es um einen intrapersonellen Konflikt.

 

Wenn Sie einen Konflikt  mit einer anderen Person oder einer Gruppe von Leuten haben, haben sie einen interpersonellen Konflikt. Der Konflikt kann auch ganze Organisationssysteme umfassen.  Dann handelt es sich um einen organisatorischen Konflikt.

 

Warum tun wir das? Die unterschiedliche Klassifizierung ist deshalb notwendig, weil die Herangehensweise an den Konflikt und die Fragen, die gestellt werden, unterschiedlich sind. Interessant wird hier die Frage, was diese unterschiedlichen Konflikte miteinander verbindet. 

 

Konflikte sind meistens nicht transparent, d. h. die Konfliktparteien verbergen die wahren Streitgründe, wenn sie den Kontrahenten überhaupt immer bewusst sind. Das können Sie sich wie einen Eisberg vorstellen. Da sehen Sie auch nur die Spitze, das sind die kommunizierten Anteile des Problems – meist sachliche Argumente, während der größere Anteil der Probleme unter der Wasseroberfläche vor sich hin wabert. Hier liegen der Sprengstoff und das Lösungs-potential für den Konflikt.

 

 

 

 

 

 

 

 

3) Ab welcher Eskalationsstufe ergibt es für ein Unternehmen Sinn, einen unparteiischen Dritten hinzuzuholen?

 

Lenken wir zuerst den Blick auf die negative betriebswirtschaftliche Relevanz von Konflikten. Eine qualitative Studie zur betriebswirt-schaftlichen Erfassung von Konfliktkosten, veröffentlicht im Jahr 2006 von der Österreichischen Wirtschaftskammer unter dem Namen „Neue Wege zur Ergebnisverbesserung“, kommt z. B. zum Ergebnis, dass innerhalb der kleinen bis mittelgroßen Unternehmen der Konflik-kostenanteil 19 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat in ihrer Konfliktkostenstudie „Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen 2009“ für Deutschland beschrieben, dass10% bis 15% der Arbeitszeit in jedem Unternehmen für Konfliktbewältigung verbraucht werden und 30% bis 50% der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht werden. Fehlzeiten aufgrund betrieblicher Ängste und Mobbing am Arbeitsplatz belasten Unternehmen jährlich mit ca. 30 Milliarden EUR. Die Kosten pro Mobbingfall betragen im Durchschnitt 60.000 EUR.

Die Stressfaktoren haben sich inzwischen eher vermehrt, so dass wir davon ausgehen, dass sich diese Kosten in den letzten 6 Jahren erhöht haben.

 

Ab wann ein unparteiischer Dritter bei einem Konflikt am Arbeits-platz hinzugezogen werden sollte, ist pauschal nicht zu beant-worten.

 

 

Als erstes sollten sich die Konflikt-Parteien an Ihren direkten Vorge-setzten wenden, sofern der nicht selbst betroffen ist. Dazu gehören gut ausgebildete Führungskräfte, die in der Lage sind, Konfliktsignale früh zu erkennen und mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Signale können sein, dass Dienst nach Vorschrift zur Regel wird oder Mitarbeiter nicht mehr direkt kommunizieren, obwohl der Prozess das vorsieht.

 

Daneben gibt es noch den Betriebsrat, die Personalabteilung und letztlich auch die Geschäftsleitung, die Konflikte konstruktiv moderieren können sollten. Solange die Parteien noch kompromiss-  und verhandlungsbereit sind, können mit der Unterstützung gut ausgebildeter interner Ansprechpartner Lösungen gefunden werden. 

 

Wenn es nicht mehr um die Sache geht, sondern nur noch ums Gewinnen, dann sind die Interessen des Unternehmens deutlich in Gefahr. Wir empfehlen Unternehmen, sich in diesem Fall und spätestens auch dann an unparteiische Dritte zu wenden, wenn die Konfliktparteien kein Vertrauen in die Vermittler aus den eigenen Reihen haben.

 

Auch wenn ganze Abteilungen ein Problem miteinander haben, geht es nicht mehr ohne externe Vermittlung.  Besonders zu beachten - wenn keine Verhandlungsbereitschaft mehr bei den Konfliktparteien besteht,  ist es ganz wichtig, dass man sich die Zustimmung über die weitere Vorgehensweise von den betroffenen Parteien einholt. 

 

 

2) Wie sieht der typische Verlauf eines Konfliktes aus?

 

Konflikte sind gut untersucht. Der österreichische Konfliktforscher Glasl unterteilt den Konflikt in 9 Phasen, beginnend mit der Verhärtung bis hin zur letzten Phase „gemeinsam in den Abgrund“. Dass auch in der Wirtschaft ein Konflikt bis zur letzten Phase eskalieren kann, zeigt das vergangene Beispiel des Verlages Suhrkamp Konflikt bis zur Selbstzerstörung.

 

Ab wann sprechen wir von einem Konflikt?  So lange es bei einer Meinungsverschiedenheit nur um die Sache geht und die Beziehung zwischen den Parteien ohne Spannungen ist,  sprechen wir nicht von einem Konflikt. Im Normalfall bewegen Sie sich in Ihrem Harmoniebereich, in dem Sie sich wohl fühlen, bis es zu einer (emotionalen) Störung kommt. Idealerweise sprechen Sie die Störung an, machen einen Vorschlag, einigen sich und kehren in Ihren Harmoniebereich zurück. So weit so gut.

 

Manchmal wird es, nachdem Sie es angesprochen haben, schlimmer als vorher und es eskaliert – Kampf – Krise – Krieg. Das nennen wir einen heißen Konflikt. Was läuft da anders? Die Meinungsverschiedenheit schlägt um in einen persönlichen Konflikt, weil eine der Parteien die Meinung des anderen nicht respektiert, verzerrt, unvollständig darstellt und damit versteckt oder offen entwertet und damit nicht die Sache diskutiert sondern die Person und ihre Fähigkeiten und den (pseudo-)moralischen Wert ihrer Handlungen, anstatt sich auf die eigene Beobachtung ohne Bewertung zu verlassen und auf die Argumentation des Gegenübers einzugehen. 

 

Ergebnis: die Sprache wird gewalttätig. Und es sind oft die kleinen Worte wie nur, immer, alle, die das Gespräch eskalieren lassen.

 

 

Die Alternative dazu könnte sein, eine Störung nicht anzusprechen. Jetzt kleben Sie Rabattmarken, ohne dass Ihr Gesprächspartner weiß, wie viele Sie da schon geklebt haben. Sie legen seine Worte und Handlungen mehr und mehr auf die Goldwaage. Das nennen wir dann einen kalten Konflikt. Um wieder in den Harmoniebereich zu kommen, werden Sie den Konflikt wieder heiß machen müssen, d.h. Sie sprechen ihn wieder an. Je länger Sie warten, desto schwieriger wird es, desto mehr Energie müssen Sie reingeben. Wenn Sie zu lange gewartet habe gibt es eine Explosion und die Hilfe Dritter kann notwendig werden.

 

 

4) Welche Tipps gibt es, um einen Konflikt positiv aufzulösen?

 

Konflikte wird es immer geben und Konflikte sind gut, denn sie sind die Triebfeder für Veränderung. Kontroverses Denken ist Kreativität und schafft Dynamik. Es geht also darum, mit unterschiedlichen Denkweisen wertschätzend umzugehen und den Gedanken zuzulassen, dass der eigene Weg nach Rom nicht der einzige Weg ist oder sein muss.

 

Tipp 1: Beschreiben Sie die Situation so, dass alle Beteiligten zu Ihrer Darstellung ja sagen können. Schildern Sie Ihre Beobachtung und vermeiden Sie Bewertungen. „Die Unterlagen sind unvollständig." Das ist eine Bewertung. „Bei den Unterlagen fehlt mir die Auswertung zu Punkt 3.“ Das ist eine Beobachtung. 

 

Tipp 2: Finden Sie heraus, was Ihre Bedürfnisse/Interessen und die Ihres Gesprächspartners sind und benennen Sie diese Bedürfnisse. Welche Bedürfnisse wollen Sie sich erfüllen, wenn Sie die oder die Vorgehensweise vorschlagen und von welchen Bedürfnissen ist der Vorschlag Ihres Gesprächspartners motiviert.

 

Tipp 3: Konflikte sind emotional, deshalb trennen Sie die Sachinforma-tion/Beobachtung von der emotionalen Information und über-nehmen Sie Verantwortung für Ihr Befinden, indem sie es mit Ihrem Bedürfnis verknüpfen und nicht mit der Handlung Ihres Gegenübers.

„Ich bin verärgert (emotionale Information), weil in den Unter-lagen die Auswertung zu Punkt 3 fehlt." (Sachinformation/Beobachtung). Die Sachinformation und die emotionale Information sind nicht getrennt.

„Bei den Unterlagen fehlt mir die Auswertung zu Punkt 3." (Sachinformation/Beobachtung). Das ärgert mich (emotionale Information), weil mir Zuverlässigkeit und Vollständigkeit wichtig ist (mein Bedürfnis).“ Für die emotionale Information wird Verantwortung übernommen, das Gefühl bezieht sich nicht auf die Sachinformation.

 

Tipp 4: Bennen Sie mit einer Bitte, welche positive Veränderung Sie sich wünschen. „Bitte ergänzen Sie die Unterlagen achten Sie darauf, dass die Unterlagen vollständig sind“ anstelle von „Bitte vermeiden Sie, dass Unterlagen fehlen.“ 

 

Wenn Sie diese Tipps in die Tat umsetzen, wird sich die Gesprächskul-tur in Ihrem Unternehmen deutlich verbessern und Anzahl und Dauer von Konflikten nehmen ab. Aus Betroffenen können Beteiligte werden und an die Stelle der Rechtfertigung treten neue Lösungsansätze für einen bestehenden Konflikt.  

 

 

Artikel verfasst von Uwe Billen & Beate Oelkers März 2020 


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